Außenpolitik des Deutschen Reichs bis zum ersten Weltkrieg.

 

Die Außenpolitischen Bestrebungen Deutschlands sind in zwei Abschnitte zu gliedern. Der erste ist die Außenplitik unter Bismark, in der die Politik sehr auf die Erhaltung des Friedens in Europa gerichtet war. Der zweite Abschnitt ist die Außenpolitik nach Bismark. Sie war ausgerichtet auf das Zeigen von Stärke nach außen und Konfliktlösung durch Krieg.

 

Außenpolitik unter Bismarck (ab 1871)

Als preußischer Ministerpräsident verfolgte Bismarck ab 1862 gradlinig das Ziel eines einheitlichen deutschen Reiches unter preußischer Führung. Nachdem er zuerst Öster-

reich wirtschaftlich aus den deutschen Gebieten verdrängt hatte, fand Bismarck 1866 einen Anlaß zur Kriegserklärung an Österreich. In der Schlacht von Königgrätz wurde Österreich besiegt. Damit war die preußische Vormachtstellung klar. Bismarck schloß einen Verständigungsfrieden mit Österreich.

Als nächstes fand er einen Grund, Frankreich so zu brüskieren, daß es Preußen 1870 den Krieg erklärte (Emser Depesche).Im Krieg von 1870/71 kam es innerhalb weniger Wochen zur Niederlage Frankreichs, das auch das Gebiet von Elsaß-Lothringen an Deutschland verlor. Nun war der Zeitpunkt reif, den deutschen Nationalstaat unter preußischer Führung zu gründen und den deutschen Kaiser Wilhelm I. zu proklamieren.

Das vom Wiener Kongreß geschaffene Gleichgewicht in Europa, das diesem Kontinent ein halbes Jahrhundert des Friedens gesichert hatte, war durch die Reichsgründung empfindlich gestört worden. Die anderen europäischen Großmächte, besonders das 1870/71 gedemütigte Frankreich, fürchteten den neu entstandenen Machtfaktor des Deutschen Reiches und trauten dem Frieden nicht.

Doch im folgenden war Bismarcks wichtigstes außenpolitisches Ziel die Sicherung des

Friedens in Europa. Er erklärte, Deutschland habe keine weiteren Gebietswünsche. Nur in einem Ausnahmefall unterwarf er einige afrikanische Kolonien dem Einfluß des Deutschen Reiches. Vorwiegend war seine Außenpolitik europäisch orientiert. Zuerst einmal wollte er Deutschland vor den Revanchegelüsten Frankreichs schützen. Vorläufig bot das Dreikaiserbündnis von 1873 zwischen Deutschland (Wilhelm I.), Österreich (Franz-Josef) und Rußland (Alexander II.) eine erste Perspektive. Aufstände und Unruhen auf dem Balkan führten zum türkisch-russischen Krieg. Die Furcht vor einem gebietsmäßigen zu starken Rußland führte jedoch - auch seitens England - zur Gefahr eines allgemeinen europäischen Krieges. Auf dem Berliner Kongreß 1878 erreichte Bismarck eine Einigung, bei der weniger die nationalen Wünsche der Balkanvölker im Vordergrund standen als die Staatsraison der Großmächte. Auch die Einigung zwischen Rußland und England, an das die Türkei ein Hilfeersuchen gerichtet hatte, gelang. Doch Rußland war verstimmt, weil es die Vorherrschaft auf dem Balkan nicht erreicht hatte. Um das Deutsche Reich gegen Rußland zu sichern, schloß Bismarck 1879 einen Zweibund mit Österreich. Dieser beinhaltete gegenseitige Hilfe bei einem Angriff Rußlands und Neutralität bei einem Angriff seitens eines dritten Staates. Von diesem Bund erhoffte sich Bismarck eine Milderung der deutsch-russischen Spannungen. Doch blieb das Verhältnis Deutschlands zu Rußland stets überschattet von den russisch-österreichischen Interessengegensätzen auf dem Balkan.

Bald nach dem Tode Alexanders II. war es jedoch möglich, 1881 einen formellen Dreikaiservertrag zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Rußland zu schließen. Dieser beinhaltete im Angriffsfall seitens einer vierten Macht auf einen der Vertragspartner eine Neutralitätsverpflichtung der beiden anderen Partner. Damit hatte Bismarck die deutsche Grenze nach Osten gesichert. Doch als es 1885 wiederum zu Konflikten auf dem Balkan kam, wogen die Gegensätze zwischen Rußland und Österreich-Ungarn schwerer als der Vertrag. Die Verlängerung des Dreikaiservertrages 1887 war dadurch unmöglich geworden. Um die deutschen Interessen zu sichern, schloß Bismarck einen Rückversicherungsvertrag mit Rußland, der auf die Dauer von drei Jahren befristet war und ein geheimes Neutralitätsabkommen zum Inhalt hatte. Die Pflicht zur Neutralität entfiel jedoch für Deutschland im Falle eines russischen Angriffs auf Österreich-Ungarn und für Rußland im Falle eines deutschen Angriffs auf Frankreich. Dies sollte die Vertragspartner davon abhalten, mit den Konfliktgegnern eine kriegerische Auseinandersetzung zu beginnen.

Auch wenn es immer wieder zu Reibungen mit Rußland kam, bei denen Bismarck die deutsche Stärke demonstrierte (1887 Schließung des deutschen Bankmarktes für russische Staatspapiere, 1888 Veröffentlichung des Zweibundvertrages,Bekanntgabe der Heeresverstärkung, Betonung der deutschen Entschlossenheit durch eine Rede Bismarcks), so wußten doch beide Teile die vertraglich vereinbarte Grenzsicherung zu schätzen.

Eine neuerliche Belastung für den europäischen Frieden bestand jedoch in einer sich abzeichnenden Annäherung Rußlands an Frankreich. Letzteres, das den Gedanken an die Revanche für 1870/71 immer noch hegte -verstärkt mit der Berufung des Generals Boulanger zum Kriegsminister 1886 - begann nun gezielt aufzurüsten. Doch Bismarck sprach sich in Opposition zu dem Rat der Militärs gegen jeden Präventivschlag aus und vermied bei jeder Gelegenheit die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Frankreich.

Bismarcks geschickte Diplomatie war möglich vor dem Hintergrund einer Bündnislage, die 1882 durch den Beitritt Italiens den Zweibund zum Dreibund erweiterte. Dieser beinhaltete ein kompliziertes Beistands- und Verteidigungsbündnis Um diesen Dreibund herum wurden viele Zusatzabkommen mit anderen Staaten getroffen, deren wichtigstes und stabilstes das mit Rumänien im Jahre 1884 war. So war das Deutsche Reich vertraglich nach den Ost- und Westgrenzen hin abgesichert. Italien hatte von seinem Beitritt den Nutzen der Abgrenzung gegenüber Frankreich im Mittelmeerraum. Eine weitere diplomatische Leistung Bismarcks war die Vermittlung der Mittelmeerentente 1887 zwischen Österreich-Ungarn, Italien und England. Sie sollte sowohl ein Vordringen Rußlands in den Mittelmeerraum verhindern als auch Frankreichs Bewegungsfähigkeit in diesem Gebiet einschränken.

Somit war auch England indirekt zu einem Bündnispartner Deutschlands geworden. Der Versuch, 1889 England als direkten Vertragspartner zu gewinnen, gelang Bismarck jedoch nicht.

Eine völlig neue Situation entstand durch den Wechsel in der Person des Kaisers. Am 18.3.1890 wurde Bismarck von Wilhelm II. aufgrund gegensätzlicher Auffassungen entlassen.

Nachdem Bismarck anfangs den deutschen Nationalstaat mit kriegerischen Mitteln in die Wege geleitet hatte, setzte er sein ganzes Geschick auf die Bewahrung des Friedens in Europa. In dieser Zeit konnte das Deutsche Reich innenpolitisch und wirtschaftlich erstarken. Es war die Zeit der Gründerjahre, die nur in einer Friedenszeit möglich waren. Bismarcks Entlassung fügte dem komplizierten Gefüge von Verträgen zur Sicherung des deutschen Reiches und des Miteinanderauskommens der europäischen

Großmächte schweren Schaden zu. Seine Nachfolger verfügten nicht über Bismarcks diplomatische Fähigkeiten.

 

Außenpolitik nach Bismarck (von 1890-1918)

Die Entlassung Bismarcks war gefolgt von einer Änderung in der Zielsetzung der deutschen Außenpolitik. Vorher bemüht um Ausgleich nach allen Seiten, setzte sie sich jetzt die Demonstration der eigenen Macht zum Ziel. Die deutsche Wirtschaft erlebte in dieser Zeit einen steilen Aufschwung und drängte auf die Weltmärkte. Gleichzeitig suchte Deutschland nun verstärkt nach dem Erwerb von Kolonien, um dort Rohstoffe auszubeuten, Waren abzusetzen und Kapital anzulegen. Dies stieß mit den Interessen Englands, Frankreichs, Rußlands und anderer europäischer Staaten zusammen und führte zu konfliktträchtigen Situationen.

In dieser Zeit unterliefen der deutschen Diplomatie einige folgenschwere Fehleinschätzungen. Der Rückversicherungsvertrag mit Rußland wurde ohne Not von Deutschland aufgekündigt. Dies bewog Rußland, zu seiner Sicherheit Frankreich als starken Bündnispartner zu gewinnen (1892/94 russisch-französischer Zweibund).England signalisierte seine diplomatische Annäherung an Frankreich nach

Abschluß des Zweibundes. Ein Bündnis mit Deutschland schien es nicht ernsthaft erwogen zu haben, zumal später der verstärkte Ausbau der deutschen Flotte unter Admiral Tirpitz von der großen Seemacht England mit Mißfallen gesehen wurde. So blieb als einzig sicherer großer Bündnispartner des Deutschen Reiches Österreich-Ungarn, und Deutschland war im Grunde außenpolitisch weit isolierter als zu Zeiten Bismarcks. Die Marokkokrise von 1905/06, in welcher England und Frankreich dem Versuch Deutschlands, auf den marokkanischen Märkten Fuß zu fassen, entschieden entgegentreten, zeigt bereits diese weltpolitische Isolierung.

Auch Italien schloß 1902 mit Frankreich ein Neutralitätsabkommen - verbunden mit einem kolonialen Interessenausgleich - so daß seine Rolle im Dreibund geschwächt war, auch wenn es diesem noch formell angehörte. Die Annäherung zwischen England und Frankreich führte 1904 zum Abschluß der Entente Cordiale zwischen diesen beiden Staaten. 1907 wurde sie durch den Beitritt Rußlands erweitert(Tripelentente).

Der geschwächte Dreibund sowie die Entente Cordiale standen sich als Machtblöcke gegenüber. Dies verstärkte in Deutschland das Gefühl der Einkreisung und Bedrohung,

und führte zu der Überlegung, auf dem Hintergrund eines europäischen Rüstungswettlaufes vielleicht einen im rechten Moment begonnenen Krieg zu führen.

Die Balkankriege 1912 zogen eine weitere Erhöhung der Aufrüstung nach sich und verursachten überdies den Eindruck, daß ein europäischer Krieg schnell entschieden würde.

Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau in Sarajevo war in dieser gespannten Lage der Funke, der das Pulver zur Explosion brachte. Deutschland stand in "Nibelungentreue" zu seinem Bündnispartner Österreich, welcher Serbien am 28.7.1914 den Krieg erklärte. Dies bewog das mit Serbien verbündete Rußland zur Mobilmachung. Im August 1914 folgten in rascher Folge die Kriegserklärungen Deutschlands, Englands und Frankreichs, denen 1915 Italien, 1917 die USA und einige weitere Staaten folgten. Der erwartete schnelle Sieg trat nicht ein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anhang:

 

O t t o v o n B i s m a r c k ( 1 8 1 5 - 1 8 9 8 )

(und weitere Ereignisse dieser Zeit)

* am 1. April 1815 wurde Otto von Bismarck in Schönhausen geboren

* 1822-1832 Schulzeit in Berlin: - Januar 1822 bis September 1827 in Plamannscher Lehranst.

- Herbst 1827 bis Ostern 1830 im Friedr.-Wilhelm-Gymnasium

- Ostern 1830 bis Ostern 1832 im Gymn. zum Grauen Kloster

* 10. Mai 1832 Immatrikulation als Student der Rechte an der Universität Göttingen

* ab November 1833 Fortsetzung des Studiums in Berlin

* 20. Mai 1835 erstes juristisches Examen (Auskultatorprüfung)

* ab Juni Beschäftigung am Berliner Stadtgericht

* 30. Juni 1836 Referendarprüfung

* 5. Juli Anstellung als Regierungsreferendar in Aachen

* Juli bis Oktober 1837 Reise durch Süddeutschland

* Dezember Versetzung ans Regierungspräsidium Potsdam

* März bis September 1838 Einjährig-Freiwilliger beim Gardejägerbataillon in Potsdam

* Juli Entschluß zur Rückkehr auf die väterlichen Güter

* Herbst Versetzung ins Jägerbataillon nach Greifswald und Aufnahme landwirtsch. Studien

* 1. Januar 1839 Tod der Mutter

* Sommer Übernahme der pommerschen Güter Kniephof, Külz und Jarchelin

* 22. Oktober Antrag auf Entlassung aus dem preußischen Staatsdienst

* 1839-1843 Gutsherr auf Kniephof

* 1841 Beteiligung an der ländlichen Selbstverwaltung als Kreisdeputierter

* 1842 Reise nach England, Frankreich, Italien und der Schweiz

* 1843 Aufnahme von Kontakten zu dem Kreis pommerschen Pietisten um Hans von Kleist-Retzow, Moritz von Blanckenburg und dessen Frau Marie von Thadden-Trieglaff

* 22. November 1845 Tod des Vaters

* April 1846 Übersiedelung nach Schönhausen

* Juli Bismarck lernt auf einer Harzreise Johanna von Puttkamer kennen

* Juli Wahl zum stellvertretenden Abgeordneten im sächsischen Provinziallandtag

* Oktober Ernennung zum Deichhauptmann

* 12. Januar 1847 Verlobung mit Johanna von Puttkamer in Reinfeld (Pommern)

* Frühjahr Bismarck engagiert sich in der Kampagne zur Verteidigung der Patrimonialgerichtsbarkeit und wird mit den Politikern Ludwig und Leopold von Gerlach bekannt

* 8. Mai Eintritt in den Vereinigten Preußischen Landtag

* 28. Juli Hochzeit in Alt-Kolziglow

* 1848/49 Bürgerlich-demokratische Revolution in Deutschland

* 18./19. März 1848 Volksaufstand in Berlin

* 20.-22. März Bismarck sondiert wegen konterrevolutionärer Aktivitäten in Potsdam und Berlin

* Juli Mitwirkung bei Konstituierung des Vereins zur Wahrung der Interessen des Grundbesitzes

* August Mitarbeiter der konservativen "Kreuz-Zeitung"

* November Konterrevolutionärer Staatsstreich in Berlin

* 5. Februar 1849 Wahl in die 2. Kammer des Preußischen Landtags

* Juni bis Juli Niederschlagung der Reichsverfassungskampagne

* September nach Verpachtung Schönhausens bezieht Bismarck Stadtwohnung in Berlin

* März/April 1850 Mitglied des Erfurter Unionsparlaments

* 3. Dezember Bismarck verteidigt im Landtag den Vertrag von Olmütz

* 8. Mai 1851 Berufung Bismarcks an die preußische Gesandtschaft beim Bundestag in Frankfurt/Main

* 15. Juli Ernennung zum Bundestagsgesandten

* 25. März 1852 Duell mit Georg von Vincke

* 21. November 1854 Berufung ins preußische Herrenhaus

* August 1855 Aufenthalt in Paris und Begegnung mit Napoleon III.

* April 1857 erneute Gespräche mit Napoleon III.

* 1857/58 im Briefwechsel mit Leopold von Gerlach distanziert sich Bismarck von doktrinärer Prinzipienpolitik der Altkonservativen und tritt für Respektierung der Realitäten ein

* 7. Oktober 1858 Regentschaft des Prinzen Wilhelm für den erkrankten König Friedrich Wilhelm IV. eröffnete "Neue Ära"

* 29. Jan. 1859 Abberufung Bismarcks aus Frankfurt und Ernennung zum Gesandten in St. Petersburg

* Sommer schwere Erkrankung Bismarcks

* 1861/62 Höhepunkt des Heeres- und Verfassungskonflikts in Preußen

* 2. Januar 1861 Wilhelm I. wird König von Preußen

* Juli 1861 Bismarck entwirft Denkschrift über die deutsche Frage

* März 1862 Auflösung des Preußischen Abgeordnetenhauses und Entlassung des Kabinetts der "Neuen Ära"; außerdem Abberufung Bismarcks aus Petersburg

* 22. Mai 1862 Ernennung zum Gesandten in Paris

* 22. September entscheidende Unterredung mit Wilhelms I. mit Bismarck

* 8. Oktober definitive Ernennung Bismarcks zum Ministerpräsidenten und Außenminister

* 8. Februar 1863 Militärkonvention mit Rußland gegen den Polnischen Aufstand

* Mai Gründung der Allgemeinen Deutschen Arbeitervereine und Kontaktaufnahme Ferdinand Lassalles mit Bismarck

* August auf Anraten Bismarcks verweigerte Wilhelm I. Teilnahme am Fürstentag in Frankfurt/M.

* Februar bis Juli 1864 Preußisch-Österreichischer Krieg gegen Dänemark

* 30. Oktober Frieden von Wien - Dänemark tritt die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen und Österreich ab

* 14. August 1865 Vertrag von Gastein - Kompromiß zwischen Preußen und Österreich in der Schlewig-Holstein-Frage

* 15. September Erhebung Bismarcks in den Grafenstand

* 9. April 1866 Antrag Preußens auf Reform des Deutschen Bundes

* 7. Mai Attentat Cohen-Blinds auf Bismarck

* 14. Juni Mobilmachung d. Bundesarmee geg. Preußen u. Austritt Preußens aus dem Deutschen Bund

* Juni-Juli Krieg um die Vorherrschaft in Deutschland

* 24. Juli Auseinandersetzung zwischen Bismarck und Wilhelm I. um Vorfrieden von Nikolsburg

* 23. August Friede von Prag zwischen Preußen und Österreich - Auflösung des Deutschen Bundes und uneingeschränkte Vorherrschaft Preußens in Norddeutschland

* 3. September Annahme der Indemnitätsvorlage im Preußischen Abgeordnetenhaus beendet den Verfassungskonflikt

* 15. Dezember Entwurf der Verfassung des Norddeutschen Bundes

* 16. April 1867 Verfassung des Norddeutschen Bundes im Reichstag angenommen

* April Bismarck erwirbt die Gutsherrschaft Varzin

* 14. Juli Ernennung zum Bundeskanzler

* 27. April 1868 Eröffnung des deutschen Zollparlaments

* 22. Februar 1869 Rücktrittsangebot Bismarcks wegen fraktioneller Spannungen im Lager der preußischen Konservativen

* August Gründungskongreß der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands in Eisenach

* 1870/71 Deutsch-Französischer Krieg

* Juli 1870 Spanische Thronkanditatur, Emser Depesche und Kriegserklärung Frankreichs an Preußen

* Anfang September Kapitulation der kaiserl. frz. Armee in Sedan und Ausrufund der Frz. Rep. in Paris

* November Abschluß von Verträgen zwischen Baden, Hessen, Bayern, Württemberg und dem Norddeutschen Bund

* Januar 1871 Preußisch-deutsche Reichsgründung

* 1. Januar Inkrafttreten der Reichsverfassung

* 18. Januar Kaiserproklamation in Versailles

* Februar Vorfrieden von Versailles

* 18. März bis 28. Mai Pariser Kommune

* 21. März Erhebung Bismarcks in den Fürstenstand

* 10 Mai. Frankfurter Friedensvertrag - Annexion Elsaß-Lothringens

* 24. Juni Bismarck erhält Friedrichsruh und den Sachsenwald als Geschenk

* März 1872 Beginn des Kulturkampfes mit preußischem Schulaufsichtsgesetz

* September Dreikaisertreffen in Berlin

* 20. Dezember zeitweiliges Ausscheiden als preußischer Ministerpräsident (bis 9. Nov. 1873)

* Mai 1873 Kampfgesetze gegen die katholische Kirche

* Oktober Dreikaiserabkommen zwischen Deutschem Reich, Rußland und Österreich-Ungarn

* April 1874 Reichsmilitärgesetz legt Heeresstärke auf sieben Jahre fest

* 13. Juli Attentat Kullmanns auf Bismarck in Kissingen

* Oktober bis Dezember Prozeß gegen Harry von Arnim

* Frühjahr 1875 "Krieg in Sicht"-Krise

* Mai Sozialdemokratische Arbeiterpartei und Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein vereinigen sich in Gotha zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands

* 1875-1878 Orientkrise mit Russisch-Türkischem Krieg (1877/78)

* 1877 Vorbereitung eines innenpolitischen Kurswechsels: Abkehr vom wissenschaftlichen und politischen Liberalismus

* 11. Mai 1878 Attentat Hödels auf Kaiser Wilhelm I.

* 24. Mai Reichstag lehnt ersten Entwurf eines Sozialistengesetzes ab

* 2. Juni Attentat Nobelings auf Kaiser Wilhelm I.

* 11. Juni Auflösung des Reichstags

* 13. Juni-13. Juli Berliner Kongreß schlichtet unter dem Vorsitz Bismarcks Interessengegensätze der europäischen Mächte in der Orientkrise

* 19. Okt. Gesetz "geg. d. gem.-gefährl. Bestrebungen der Sozialdemokratie" v. Reichst. angenommen

* Juli 1879 Gesetze über Schutzzolltarif und Finanzzölle fundieren das reaktionäre Bündnis von Junkertum und Großbourgeoisie in der preußisch-deutschen Innenpolitik

* 7. Oktober Abschluß des Zweibundes zwischen Deutschem Reich und Österreich-Ungarn

* September 1880 Bismarck übernimmt das preußische Handelsministerium

* 18. Juni 1881 Dreikaiserbündnis zwischen Deutschem Reich, Österreich-Ungarn und Rußland

* 17. November Kaiserliche Botschaft über die Sozialgesetzgebung eröffnet "milde Praxis" im Kampf gegen die Sozialdemokratie

* 20. Mai 1882 Dreibundvertrag zwischen Deutschem Reich, Österreich-Ungarn und Italien

* 1882-1886 wachsender Widerstand der Sozialdemokratie, einer antibonapartischen Volksbewegung und linksliberalen Parlamentsopposition gegen das Bismarck-Regime

* 1885-1887 Bulgarische Krise - Zusammenbruch des Dreikaiserbündnisses und gleichzeitige Verschärfung der deutsch-frz. Beziehungen führen Bismarksche Außenpolitik in die Krise

* 11. April 1886 Streikerlaß des preußischen Innenministers Puttkamer leitet nach Scheitern der "milden Praxis" verschärfte Verfolgung der Arbeiterbewegung ein

* 21. Februar 1887 Sieg des konservativ-nationalliberalen Kartells bei Reichstagswahlen verschafft Bismarck-Regime letztmalig eine Machtbasis

* 18. Juni Rückversicherungsvertrag mit Rußland

* 9. März 1888 Tod Kaiser Wilhelms I. und Beginn der 99-Tage-Herrschaft Kaiser Friedrichs III.

* 15 Juni Tod Kaiser Friedrichs III. und Thronbesteigung Kaiser Wilhelms II.

* Mai 1889 großer Bergarbeiterstreik im Ruhrgebiet und anderen deutschen Kohlenrevieren

* 24. Januar 1890 Zusammenstoß Bismarcks mit Wilhelm II. auf Kronrat über Sozialistengesetz und Arbeiterversicherung

* 25. Januar Reichstag lehnt Verlängerung des Sozialistengesetzes ab

* 4. Februar kaiserliche Erlasse über Arbeiterschutz werden ohne Gegenzeichnung Bismarcks veröffentlicht

* 20. Februar gewaltiger Wahlsieg der Sozialdemokratie und Niederlage der Kartellparteien bei Reichstagswahl

* 15. März endgültiger Bruch zwischen Kaiser und Kanzler

* 18. März Bismarck reicht Entlassungsgesuch ein

* 20 März Bismarck wird aus allen Staatsämtern entlassen

* 9. Juni Reichskanzler Caprivi fordert zum gesellschaftlichen Boykott eines Bismarck-Besuches in Wien auf

* Juli Triumphreise Bismarcks durch Deutschland nach Wien

* 1894 formelle Aussöhnung zwischen Wilhelm II. und Bismarck

* 27. November Tod Johanna von Bismarcks

* 23. März 1895 Reichstagsmehrheit lehnt Glückwünsche zu Bismarcks achtzigsten Geburtstag ab

* 16. Dezember 1897 Besuch Wilhelms II. in Friedrichsruh

* 30. Juli 1898 Bismarck stirbt in Friedrichsruh

 

 

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Wilhelm II. (von Deutschland und Preußen) (1859-1941), deutscher Kaiser und König von Preußen (1888-1918).

Wilhelm wurde am 27. Januar 1859 in Berlin als Sohn des späteren Kaisers Friedrich III. und der englischen Prinzessin Viktoria, der ältesten Tochter Königin Viktorias, geboren. 1881 heiratete er Auguste Viktoria, Prinzessin von Schleswig-Holstein. Nach dem Tod seines Vaters, der nur drei Monate lang regiert hatte, übernahm er am 15. Juni 1888 den preußischen Königsthron und den deutschen Kaiserthron.

Wilhelms erste bedeutende Handlung als Kaiser war 1890 die Entlassung des Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck, nachdem er mit seinen Forderungen nach weiterreichenden Sozialreformen, die die Arbeiterschaft beruhigen sollten, und mit seinem militanten Auftreten nach außen in scharfen Konflikt mit diesem geraten war. Nach Bismarcks Entlassung suchte Wilhelm die Politik im Reich selbst zu bestimmen, stand in der Innenpolitik allerdings selbst in Abhängigkeit von den einflußreichen konservativen Kräften und sah sich in der Außenpolitik nach Protesten des Auslandes zu mehr Zurückhaltung gezwungen. Innenpolitisch war Wilhelms Regierungszeit von einer stürmischen Industrialisierung und allen damit zusammenhängenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Problemen geprägt. Wilhelms erste sozialpolitische Reformen brachten nicht die gewünschten Erfolge, konnten z. B. das schnelle Wachstum der Sozialdemokratischen Partei nicht aufhalten. In der Folge schlug der Kaiser einen betont konservativen Kurs ein.

Wilhelms Außenpolitik war wenig konstant und zeichnete sich durch Demonstrationen der Stärke aus. Er betonte einerseits seine tiefe Freundschaft gegenüber Großbritannien, andererseits betrieb er die Flottenrüstung gegen die Briten, provozierte sie mit seiner aggressiven Kolonial- und Wirtschaftspolitik und drängte sie so förmlich in ein Bündnis mit Frankreich und Rußland. Ähnlich stand seiner zunächst freundschaftlichen Politik gegenüber Rußland seine Unterstützung für Österreich auf dem Balkan entgegen. Wilhelms imperialistische Machtpolitik und seine generelle, 1912 geäußerte Kriegsbereitschaft trugen mit zur Verschärfung der internationalen Spannungen bei, die schließlich zum 1.Weltkrieg führten.

In der Julikrise 1914 befürwortete Wilhelm zunächst einen österreichisch-serbischen Krieg. Als er sich dann jedoch auf ganz Europa auszuweiten drohte, versuchte er vergeblich, ihn einzugrenzen. Während des Krieges wurde Wilhelm vom Reichstag und von der Obersten Heeresleitung nach und nach in den Hintergrund gedrängt; die militärische Führung übernahmen Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff. Ab 1917 war Wilhelm praktisch völlig ausgeschaltet. Nach dem militärischen und politischen Zusammenbruch Deutschlands floh er am 9. November 1918 in die Niederlande und erklärte am 28. November offiziell seinen Thronverzicht. Danach lebte er relativ zurückgezogen im Exil auf Schloß Doorn in den Niederlanden. Er starb am 4. Juni 1941 und wurde auf Anordnung Hitlers mit militärischen Ehren beigesetzt.

 

Bismarck, Otto Eduard Leopold, Graf von, seit 1871 Fürst von Bismarck (1815-1898), preußisch-deutscher Staatsmann und erster Kanzler des Deutschen Reiches (1871-1890).

Bismarck wurde am 1. April 1815 in Schönhausen, nordwestlich von Berlin, als Sohn eines ostelbischen Adligen geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Göttingen und Berlin, war anschließend, ab 1836, Gerichtsreferendar in Aachen und übernahm 1839 die Verwaltung der väterlichen Güter in Pommern.

1847 wurde der konservative Bismarck Mitglied des vereinigten preußischen Landtages. Die Revolution von 1848, die er mit Gewalt unterdrückt sehen wollte, bestärkte ihn in seiner konservativen und monarchistischen Haltung. Nach der Revolution wurde er Abgeordneter im Erfurter Parlament, führendes Mitglied der Konservativen Partei und Mitarbeiter der konservativen Kreuzzeitung. Im Frankfurter Bundestag, dem er seit 1851 als preußischer Gesandter angehörte, trat er für die Gleichberechtigung Preußens mit Österreich, der Präsidialmacht im Deutschen Bund, ein. 1859 ging Bismarck als preußischer Botschafter nach Rußland und 1862 nach Frankreich.

Die deutsche Einigung

1862 war in Preußen die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Parlament über eine Heeresreform zu einem scheinbar unlösbaren Konflikt geworden. Das von liberalen Kräften dominierte Parlament hatte die Heeresvorlage der Regierung u. a. wegen der dreijährigen Dienstpflicht abgelehnt; weder König noch Parlament waren zu einem Kompromiß bereit. In dieser Pattsituation berief König Wilhelm I. im September 1862 Bismarck als preußischen Ministerpräsidenten.

Bismarck beendete den Heereskonflikt im Sinn der Krone, beschwor damit allerdings gleichzeitig einen Verfassungskonflikt herauf: Er löste das Parlament auf, das den Militärhaushalt abgelehnt hatte, und regierte, gestützt durch die "Lückentheorie", ohne vom Parlament gebilligtem Etat weiter. Seine nicht verfassungskonforme Politik hatte Bismarck nach seinem Amtsantritt mit seiner "Blut- und Eisenrede" gerechtfertigt, der zufolge sich die großen Probleme der Zeit (d. h. die deutsche Einigung) nicht durch Reden und Mehrheitsentscheidungen lösen ließen, sondern nur durch "Blut und Eisen". Folgerichtig baute er das preußische Heer aus, ebenfalls ohne die Zustimmung des Parlaments.

Mit seinem außenpolitischen Engagement gelang es Bismarck vorübergehend, von der Krise im Inneren abzulenken: 1863 schloß er mit Rußland die Alvenslebensche Konvention zur gegenseitigen militärischen Unterstützung (Anlaß war der Januaraufstand in Polen). 1864 führte Preußen gemeinsam mit Österreich Krieg gegen Dänemark, das schließlich Schleswig, Holstein und Lauenburg an Preußen und Österreich abtreten mußte (siehe Deutsch-Dänische Kriege). 1866 eskalierte der preußisch-österreichische Dualismus, die Frage nach der Vorherrschaft im Deutschen Bund, die sich seit dem Deutsch-Dänischen Krieg deutlich zugespitzt hatte, im Deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich. Nach seinem Sieg über Österreich erhielt Preußen Schleswig-Holstein, Lauenburg, Hannover und einige andere Gebiete; der Deutsche Bund wurde aufgelöst, Österreich war aus Deutschland verdrängt worden, und Preußen hatte die Vorherrschaft in Deutschland erlangt. 1867 konstituierte sich unter preußischer Führung der Norddeutsche Bund, Bismarck wurde Bundeskanzler. Nach dem preußischen Sieg unterbreitete er dem preußischen Parlament die Indemnitätsvorlage, um nachträglich die formelle Bewilligung der Kosten für die Heeresreform und die beiden Kriege zu erhalten. Sie wurde vom Parlament mit den Stimmen einiger Liberaler angenommen.

1870 provozierte Bismarck mit der Emser Depesche die Kriegserklärung Frankreichs an Preußen und damit den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871, der zur Proklamation Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser am 18. Januar 1871 in Versailles und zur Gründung des Deutschen Reiches führte. Bismarck, der Reichskanzler wurde, hatte sein Ziel der Einigung Deutschlands unter preußischer Führung erreicht.

Reichskanzler

Seine Hauptaufgabe als Reichskanzler sah Bismarck in der inneren Konsolidierung des Reiches und in seiner Einbindung in ein internationales Bündnissystem. Innenpolitisch suchte er durch eine "Revolution von oben", den durch Liberalisierung, Industrialisierung und Bevölkerungsexplosion veränderten politischen Anforderungen zu entsprechen. Das antiliberale katholische Zentrum wollte er durch den Kulturkampf ausschalten, provozierte damit jedoch neue innenpolitische Konfrontationen, so daß er sich 1878 schließlich zum Einlenken gegenüber der katholischen Kirche gezwungen sah. Mit dem Sozialistengesetz von 1878, das alle sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Vereinigungen verbot, sollten die "gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" unterbunden werden. Es beschwor jedoch eine neue innenpolitische Krise herauf und verfehlte zudem sein Ziel, die Sozialdemokratie zu zerschlagen: Nach dem Auslaufen des Gesetzes 1890 wurden die Sozialdemokraten stärkste Fraktion im Reichstag. Parallel zum Sozialistengesetz initiierte Bismarck weitreichende, vergleichsweise fortschrittliche Sozialgesetze, u. a. zur Kranken-, Unfall-, Renten- und Invaliditätsversicherung. Hintergedanke bei seinem Sozialgesetzgebungswerk war, die Arbeiterschaft für sich zu gewinnen, sie von der Sozialdemokratie zu entfremden und diese somit weiter zu schwächen.

Bismarcks Außenpolitik war defensiv und auf Frieden ausgerichtet. Er bezeichnete Deutschland als "saturiert" – trotzdem engagierte er sich, zunächst allerdings zögernd, 1884/1885 kurzzeitig für den Erwerb deutscher Kolonien in Afrika und im pazifischen Raum. Sein europäisches Bündnissystem zielte auf die Isolierung Frankreichs und die Verhinderung einer Koalition gegen Deutschland: 1879 schloß er den Zweibund mit Österreich, der 1882 durch den Beitritt Italiens zum Dreibund wurde, und 1887 vereinbarte er den Rückversicherungsvertrag mit Rußland.

Kaiser Wilhelm II. entließ Bismarck am 20. März 1890 wegen unüberbrückbarer persönlicher und politischer Gegensätze aus seinem Amt. Bismarck zog sich daraufhin auf sein Landgut Friedrichsruh im Sachsenwald zurück, wo er am 30. Juli 1898 starb.

Deutsches Kaiserreich (1871-1918), dem Deutschen Reich gehörten zwischen 1871 und 1918 25 Bundesstaaten und das Reichsland Elsaß-Lothringen an. Das Deutsche Kaiserreich wurde am 18. Januar 1871 gegründet. Das Präsidium hatte der König von Preußen als deutscher Kaiser inne (er vertrat das Kaiserreich völkerrechtlich, war der Befehlshaber der Streitkräfte, konnte Frieden schließen und den Krieg erklären). Erster Mann im Deutschen Reich war jedoch Reichskanzler Otto von Bismarck, der außerdem das Amt des preußischen Ministerpräsidenten und des Außenministers bekleidete. Unter der Regentschaft Wilhelms I. lenkte Bismarck die innen- und außenpolitischen Geschicke des neuen Staates. Durch eine komplizierte Bündnispolitik verstand er es, Frankreich zu isolieren. Der Berliner Kongreß (1878) brachte Spannungen zwischen Rußland und Deutschland mit sich. Eine Folge davon war der Zweibund (Deutschland, Österreich), der 1882 durch den Beitritt Italiens zum Dreibund erweitert wurde. Das Verhältnis zu Rußland konnte 1881 durch das Dreikaiserbündnis (Österreich, Deutschland, Rußland) verbessert werden. 1887 wurde ein deutsch-russischer Rückversicherungsvertrag geschlossen (Neutralität Rußlands, falls Frankreich Deutschland angreifen sollte). Die vorsichtige Kolonialpolitik Bismarcks gegenüber Großbritannien ermöglichte Mitte der achtziger Jahre Zugewinne von Gebieten in Afrika (u. a. Ostafrika, Togo, Kamerun) und im pazifischen Raum (u. a. Bismarckarchipel). In der Innenpolitik ging Bismarck zunächst mit den Nationalliberalen zusammen, die ihn in der Wirtschaftspolitik und im Kulturkampf gegen die katholische Kirche und das Zentrum (1871-1879) unterstützten. 1879 brach er mit ihnen aufgrund der Einführung der Schutzzölle zur Förderung von Landwirtschaft und Industrie, die nach den fruchtbaren "Gründerjahren" in einer Krise steckten. 1878 sollte durch das "Sozialistengesetz" die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands unter August Bebel zerschlagen werden. Zwischen 1883 und 1889 wurde die Sozialgesetzgebung eingeführt (Unfall-, Invaliditäts- und Altersversicherung).

Wilhelm II. wird deutscher Kaiser

1888 starb Wilhelm I. Nach nur 99tägiger Regentschaft Friedrichs III. wurde Wilhelm II. deutscher Kaiser ("Dreikaiserjahr"). 1890 wurde Bismarck nach schweren Auseinandersetzungen wegen der Sozialgesetzgebung zum Rücktritt gezwungen. Der Sturz markierte in der Außenpolitik des Kaiserreiches einen Einschnitt, da Bismarcks Politik des Gleichgewichts der europäischen Mächte ins Wanken geriet. Der "Neue Kurs" von Wilhelm II. sollte die komplizierte Außenpolitik Bismarcks ablösen und zu einem Bündnis mit Großbritannien führen. 1894 schlossen daraufhin Frankreich und Rußland eine Militärkonvention, die einen Zweifrontenkrieg gegen das Reich möglich machte. Gleichzeitig wurde die geplante Annäherung an Großbritannien zugunsten kolonialer Interessen aufgegeben.

Unter anderem wurden die Beziehungen durch die offene Unterstützung der Buren in Südafrika verschlechtert. Die Lage spitzte sich zu, als Admiral von Tirpitz, von 1897 bis 1916 Staatssekretär des Reichsmarineamtes, mit dem Aufbau einer deutschen Hochseeflotte begann. Daraufhin kam es Mitte der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts zu einem erbitterten und kostspieligen Wettrüsten mit Großbritannien, das in der deutschen Flotte eine potentielle Gefahr für seine Sicherheit sah und seine Vormachtstellung zur See behalten wollte. Die Ausgaben für die deutsche Flottenrüstung brachten die Staatsfinanzen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und drückten den Lebensstandard der Arbeiter, denn der größte Teil des Geldes wurde über indirekte Steuern beschafft. 1904 verbündete sich Großbritannien mit Frankreich ("Entente"), 1907 mit Rußland. Dem gegenüber stand ein Bündnis Deutschlands mit Österreich-Ungarn und Italien. Nach den Reichstagswahlen von 1912 wurden die Sozialdemokraten stärkste Fraktion im Reichstag, Forderungen nach Reformen und Demokratisierung wurden laut. Die Schwäche der Regierung durch das "persönliche Regiment" Wilhelms II. (Daily-Telegraph-Affäre) wurde offensichtlich. Deutschlands ungeschickte Diplomatie führte zu einer isolierten Position in Europa (Marokkokrisen von 1905 und 1911). Die österreichisch-ungarische Monarchie blieb einziger verläßlicher Verbündeter des Reiches. Die Angst vor einer "Einkreisung Deutschlands" wuchs. Theobald von Bethmann Hollweg versuchte vergeblich die Triple-Entente (Großbritannien, Frankreich, Rußland) auseinanderzubringen.

Deutschland im Krieg

Die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers und seiner Frau in Sarajevo löste die "Julikrise" aus und führte 1914 in den 1. Weltkrieg.

Die Entscheidungsgewalt im Reich ging zunehmend auf das Militär über, während der Kaiser meist nur mehr eine untergeordnete Rolle spielte. 1917 bestand die Oberste Heeresleitung mit Feldmarschall Paul von Hindenburg und General Erich Ludendorff auf einem uneingeschränkten U-Boot-Krieg Deutschlands. Daraufhin traten auch die USA als Gegner Deutschlands in den Krieg ein. Im Laufe des Jahres 1917 zwang die Oberste Heeresleitung den Kaiser, seinen Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg zu entlassen. Von diesem Zeitpunkt an lag die alleinige Macht im Staat praktisch bei der Militärregierung unter Hindenburg und Ludendorff. Rußland schloß im November 1917 mit Deutschland einen Waffenstillstand. Als im Frühling 1918 Ludendorffs letzte Offensive im Westen fehlschlug, war der Weg frei für einen erfolgreichen Gegenangriff der Alliierten. Im September 1918 war das deutsche Heer bis an die Grenzen Deutschlands zurückgedrängt.

Waffenstillstand und Zusammenbruch des Deutschen Reiches

Diese Niederlagen und die wachsenden wirtschaftlichen Probleme aufgrund der britischen Blockade führten zur Bildung einer parlamentarischen Regierung unter Prinz Max von Baden, deren Aufgabe es war, einen Waffenstillstand mit den Alliierten herbeizuführen. Angesichts der absoluten Kriegsniederlage und revolutionärer Bewegungen im eigenen Land brach das Deutsche Reich zusammen. Wilhelm II. dankte am 9. November 1918 ab und floh nach Holland. Noch am gleichen Tag wurde in Berlin die Republik ausgerufen.